Ich will gerne von meiner ehrenamtlichen Tätigkeit berichten, die sich zu einem großem Teil in der Bielefelder Stadtbibliothek abspielt, wo ich bei den Mitarbeitern gut bekannt bin. Früher hatten Sie ja auch neben dem Verein ‚Spielwiese’ auch ein Büro in der Stadtbibliothek. Jetzt sind Sie anscheinend in die Kavalleriestraße umgezogen, in das Haus, wo früher auch der AK Asyl untergebracht war.
Meine ehrenamtliche Tätigkeit hat sich eher zufällig ergeben. Mit dem 31. Mai 2014 endete für mich mit dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze das Berufsleben, und ich wurde Rentnerin. Ich beschloß, mich im Fachsprachen-Zentrum der Uni Bielefeld für Französisch einzuschreiben — eine Sprache, die ich immer für mich gepflegt habe, denn ich habe während meiner Schulzeit in den 60er Jahren sehr von der damaligen Neugründung des dt.-frz. Jugendwerkes im Rahmen des Elysée-Vertrags von 1963 profitiert. Das dt.-frz. Jugendwerk organisierte Schüleraustausche in frz. Familien, was damals neu war. Ich habe zweimal Aufenthalte in frz. Familien mitgelebt und dadurch sehr gut frz. gelernt. Das hat mich motiviert, diese Sprache zu pflegen, die ich bis heute gut spreche.
An der Universität war ich auf der Suche nach einem Sprachpartner für französisch, den ich auch schnell in der Gestalt eines jungen Mannes aus der Elfenbeinküste fand. Ich lernte ihm im Dezember 2014 kennen, hielt ihn (in der Umgebung der Universität) zunächst für einen Studenten, es handelte sich aber um einen Flüchtling, der davon träumte, sein abgebrochenes Studium fortsetzen zu können. Mit diesem jungen Mann habe ich nach Möglichkeiten gesucht, diesen Traum zu verwirklichen und stieß auf ein Programm der Universität Duisburg-Essen, wo eine rußland-deutsche Professorin einen Studiengang eröffnet hatte, um Ausländern, die einen Universitätsabschluß in ihrem Heimatland erworben hatten oder aber ein Studium hatten abbrechen müssen, eine akademische Qualifikation in Deutschland zu ermöglichen. Man hat sich an der Uni Duisburg sehr für diesen jungen Mann eingesetzt, aber letztlich hat es nicht geklappt. Wir sind dann zusammen viele Wege gegangen, Studienkolleg für ausländische Studierende in Paderborn, Bundesfreiwilligendienst in Bethel usw. Letztendlich hat der junge Mann eine Ausbildung begonnen, ist jetzt im zweiten Ausbildungsjahr, hat eine Frau aus dem Heimatland geheiratet, die jetzt seit über einem Jahr in Deutschland lebt — die beiden haben einen inzwischen 6 Monate alten Sohn. Ich lerne weiterhin mit ihm einmal in der Woche, damit er gut in der Berufsschule mitkommt.
Über diesen jungen Mann habe ich weitere afrikanische Flüchtlinge kennengelernt, denen ich mit meinen frz. Sprachkenntnissen sehr hilfreich bin. Ich könnte über diese noch weitere Geschichten erzählen, denn einige habe ich genauso intensiv begleitet, wie den jungen Mann, von dem ich Ihnen berichtet habe und einige haben ebenfalls eine sehr gute Entwicklung genommen. Wenn ich das alles schildern würde, müßten Sie viel lesen, deshalb verzichte ich darauf.
Die Stadtbibliothek bietet mir gute Arbeitsbedingungen, um deutsch mit den Leuten zu lernen oder sie für die jeweiligen Ausbildungen zu begleiten. Sie liegt sehr zentral, ist also gut erreichbar, hat ausgedehnte Öffnungszeiten und viele offene Arbeitsbereiche. Außerdem ist keine Geldausgabe erforderlich, wie das z.B. der Fall wäre, wenn wir in einem Café lernen müßten. Ich habe aber auch schon im IBZ in der Teutoburger Straße, im Welthaus in der August-Bebelstraße sowie im Starbuck-Café am Jahnplatz oder im McDonalds im Hauptbahnhof mit den Leuten gelernt (bei den beiden letzteren mußte man nicht zwingend etwas verzehren). Während der Schließung der Stadtbibliothek mußte ich im Sommer in den Garten des Franziskus-Hospitals ausweichen, denn es gab definitiv keinen anderen Platz mehr; es gab dort ein ehemaliges Raucherhaus mit Tisch und Bank, wo man gut arbeiten konnte. Ungünstig war dort, daß wir keinen Zugang zu einer Toilette mehr hatten, denn das Krankenhaus mit der Besuchertoilette durften wir ja nicht mehr betreten.
Im September wurde der Zugang zum Garten dann auch gesperrt, aber dann machte die Stadtbibliothek, Gott sei Dank, wieder auf.
Leider wird jetzt die Stadtbiblliothek wohl wieder schließen, und jetzt weiß ich definitiv nicht mehr, wo ich mit den Leuten lernen kann.
Digital geht das mit meinen ‚Schülern’ nur bedingt; sie haben nicht die technische Ausrüstung und nicht genügend Schulbildung; d.h. nicht alle können gut genug schreiben, als daß ich über e‑mail oder Facebook mit ihnen kommunizieren könnte. Auch ich beherrsche den Umgang mit dem PC nicht so gut, als daß ich so ohne weiteres auf digitale Kommunikation umstellen könnte.